Kurz nach Ostern öffnet die Auto Shanghai ihre Pforten – eine internationale Automobilmesse der Superlative. Mit ihr kündigt sich auch die nächste Welle von Elektroautos aus China an. Und die bange Frage: Haben deutsche Hersteller gegen diesen eMobility-Tsunami aus dem Reich der Mitte überhaupt noch eine Chance? Das besprechen wir in dieser Episode von „eMobility Insights“ mit Prof. Dr. Andreas Herrmann. Er ist nicht nur Direktor des Instituts für Mobilität der Universität St. Gallen, sondern hat auch eine Gastprofessur in Shanghai – und beforscht dort auch die chinesischen Kunden, deren Bedürfnisse und veränderten Markenvorlieben beim Thema Auto.
Prof. Dr. Andreas Herrmann zeigt sich im Podcast denn auch beeindruckt von der strategischen Klarheit, mit der chinesische Hersteller wie BYD agieren: „Man will den Kunden immer wieder überraschen mit ganz neuen technologischen Möglichkeiten auf der Softwareseite.“
Ein zentrales Thema ist der unterschiedliche Ansatz in der Fahrzeugentwicklung: Während deutsche Hersteller vom klassischen Automobilbau ausgehen, denken chinesische Firmen wie BYD vom Batterie-Know-how ausgehend weiter. Dieses „Upside-Down“-Verständnis stellt für Europa ein strukturelles Problem dar. Hinzu kommt, dass der Aufbau einer konkurrenzfähigen Batterieproduktion in Europa derzeit stockt. Herrmann wird dazu deutlich: „Wir können das Thema wohl abhaken“, weil Europa sowohl technologisch als auch bei der nötigen Skalierung bisher nicht mithalten könne.
In Bezug auf China zeigt sich derweil ein Wandel im dortigen Konsumverhalten: Besonders die Generation Z legt zunehmend Wert auf heimische Marken, moderne Software-Features und Updates, statt auf klassische europäische Marken zu setzen. Deutsche Hersteller stehen hier vor der Herausforderung, ihre Produktentwicklung stärker softwarezentriert auszurichten, so Andreas Herrmann. Umgekehrt hätten die chinesischen Marken in Europa bislang noch Schwierigkeiten, besonders in den Bereichen Vertrieb und Markenbildung. Zwar ist die technische Qualität hoch, doch es fehlt an Wiedererkennungswert, Emotionalität und einem klaren Markenprofil.
Experten sehen in dieser Markenführung derzeit die Achillesferse chinesischer Hersteller in Europa. Eine mögliche Strategie könnte sein, europäische oder amerikanische Markenexperten zu integrieren – jedoch ohne bloße Imitation westlicher Konzepte. Letztlich wird betont, dass eine klare Designsprache und ein einheitliches „Gesicht“ für die E-Fahrzeuge noch fehlen, was für eine stärkere Marktpräsenz entscheidend wäre.
Im letzten Teil des Podcasts wirft Prof. Herrmann noch einen kritischen Blick auf die Zukunft des autonomen Fahrens – insbesondere im globalen Wettbewerb zwischen China, den USA und Europa. Aktuell sieht er vor allem China und die USA vorne, während Europa mit Mobileye zwar mitmischt, aber noch Nachholbedarf hat.
Ein Beispielprojekt aus Zürich mit chinesischer Technologie wirft zudem Fragen zur digitalen Souveränität auf. Prof. Herrmann kritisiert, dass die Erfahrungen dort primär beim Anbieter WeRide bleiben: „Und das ist das, was mich stört, dass wir eigentlich in Europa keinen Ort haben, wo wir wirklich autonomes Fahren ‚from scratch‘ aus erlernen.“
Hat Deutschland beim Elektroauto gegen China nun also schon verloren? „Es ist fünf vor zwölf“, sagt Prof. Herrmann. Für den europäischen Massenmarkt sieht der Experte große Herausforderungen, wohingegen im Luxussegment deutsche Hersteller weiterhin gut positioniert seien. Als mögliche Idee zur Abgrenzung kam spaßeshalber Karaoke im Auto auf – ein Bereich, in dem allerdings chinesische Anbieter bereits aktiv sind.